Licht und Luft zum Glauben - Der Prozess EKHN 2030
Mit ekhn2030 hat die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) einen Prozess zur Kirchenentwicklung gestartet, um gesellschaftlichen Veränderungen und knapper werdenden Ressourcen zu begegnen. ekhn2030 ist ein Einsparprozess und zugleich ein Prozess der Kirchenentwicklung: Zentral ist dabei die Frage, welche Maßnahmen und Veränderungen dazu beitragen, die EKHN als „öffentliche und offene Kirche nahe bei den Menschen“ weiter zu entwickeln.
Für viele Menschen ist es überhaupt nicht mehr selbstverständlich ist, einer Kirche anzugehören. Auch sehen viele nicht, wie wertvoll Glauben und Kirche für das eigene Leben und die Gesellschaft sein können. Deshalb und aufgrund der demografischen Entwicklung geht die EKHN davon aus, dass die Zahl der Kirchenmitglieder weiter zurückgeht und sie deshalb in den nächsten Jahrzehnten auch weniger finanzielle Mittel zur Verfügung haben wird.
ekhn2030 bedeutet jedoch nicht einfach Kürzung mit dem Rasenmäher, sondern Kirchen und Gemeinden für neue Arbeitsformen und Begegnungsformate fit zu machen. Für die Gemeinden bedeutet das, zukünftig in Nachbarschaftsräumen zusammen zu arbeiten. In Oberursel arbeiten zukünftig sieben Gemeinden ganz eng zusammen: Heilig-Geist-Gemeinde und Kreuzkirche, Christus-Kirche und Auferstehungsgemeinde, die Evangelische Kirche Oberstedten und die St. Georgs-Gemeinde in Steinbach sowie die Versöhnungsgemeinde in Stierstadt. Pfarrer und Pfarrerinnen, Kantoren und Gemeindepädagoginnen bilden zukünftig pastorale Teams.
Fünf übergreifende Themen leiten den Prozess um 2030. Zunächst geht es um die Kirchenentwicklung mit der Frage: Wie soll die Kirche in zehn Jahren aussehen? Was bedeutet „Kommunikation des Evangeliums“? Weitere Themen sind Digitalisierung und Nachhaltigkeit sowie Wirtschaftlichkeit und die Entwicklung der Verwaltung.
Mit dem Leitgedanken „Licht und Luft zum Glauben“ verdeutlicht der Prozess, dass es um einen nach vorne gerichteten Prozess geht, den die Gemeinden auch geistlich gestalten. Die Veränderungen dienen dazu, unter anderen Rahmenbedingungen auch künftig eine hoffnungsvolle Kirche zu sein – für Licht und Luft zum Glauben.
Lesen Sie mehr zu ekhn2030: https://unsere.ekhn.de/themen/ekhn2030/der-auftrag.html
Interview mit Pfarrerin Stefanie Eberhardt zum Prozess EKHN 2030
Jens-Markus Meier, Presse- und Öffentlichkeitsbeauftragter im Hochtaunuskreis interviewte am 5.07.2023 Pfarrerin Stefanie Eberhardt zum Prozess EKHN 2030. Im Mittelpunkt standen die besonderen Herausforderungen aber auch die Chancen des Prozesses.
Wie sind Sie in Oberursel auf dem Weg?
Wir sind gut auf dem Weg. Haben schon relativ früh den Nachbarschaftsraum mit Steinbach festgezurrt. Wir sind gesegnet, weil wir schon wissen, wo geht die Reise hin und mit was werden wir arbeiten können. Der Partner steht fest und wir müssen nicht nach links und rechts schauen. Es bietet sich von den Räumlichkeiten an. Oberursel ist ohnehin eins und Steinbach liegt nebendran.
Aber verheiratet sind sie noch nicht?
Nein, wir haben auch noch nicht angegangen, wie sich das alles in der Rechtsform manifestieren wird. Wollen jetzt im Prozess schauen, wo können wir zusammenarbeiten. Es gibt schon gemeinsame Treffen in der Steuerungsgruppe. Hier sind alle Gemeinden mit jeweils einer Pfarrperson und einem Kirchenvorstands-Mitglied vertreten. Es ist ein sich-Annähern, aber der Weg ist noch sehr weit.
Die großen Steine haben wir noch nicht betrachtet: Wie werden wir zusammengehen? Werden wir fusionieren oder nicht?
Nach welchen Kriterien haben sie sich zusammengefunden?
Es hat räumlich ideal gepasst. Persönliche Präferenzen haben keine Rolle gespielt. Oberursel war ja auch schon einmal zusammen und hat sich erst dann in einzelne Gemeinden wieder getrennt. Jetzt ist das Stadtgebiet wieder eins.
Deckt sich nun wieder mit dem Sozialraum Oberursel, auch wenn in Oberursel natürlich auch verschiedene soziale Gruppen leben. Zudem wird es dann auf kommunaler Ebene einen evangelischen kirchlichen Ansprechpartner geben.
Das wurde jetzt auch schon von der Stadt zurückgespiegelt. Da gibt es das neue Projekt „Oberursel rückt zusammen“, wo wir sozusagen mit teilnehmen. Da wurde uns gerade von der Stadt gesagt, bei der kath. Kirche gibt es einen Ansprechpartner für Alle und bei uns ist es noch jede einzelne Gemeinde. In Zukunft wird es bei uns evt. auch so sein, dass die Stadt ein evangelisches Gegenüber haben wird.
Wäre das eine Reduktion der evangelischen Vielfalt? Kann man das überhaupt gegenüberstellen: Ein Ansprechpartner gleich Reduktion der Vielfalt?
Ich glaube, die Vielfalt bleibt trotzdem bestehen. Die Gemeindemitglieder aller Gemeinden in Oberursel nutzen ja auch schon unserer Vielfalt. Zum Beispiel ist die Christuskirche bekannt für gute musikalische Veranstaltungen. Unsere Mitglieder gehen runter in die Christuskirche zu diesen Konzerten.
Die parochialen Strukturen sind in Oberursel bereits durchlässig?
Genau. In unserer Gemeinde schauen die Leute ganz genau, wo wird was Interessantes angeboten und nehmen dort teil. Mit der Kreuzkirchengemeinde in Bommersheim wurde ja bereits in der Vergangenheit eng zusammengearbeitet. Da gibt es keine Berührungsängste. Wir haben ja auch Glück: Wir sind Stadt und haben keine langen Wege und öffentliche Verkehrsmittel. Allerdings ist es für manche, gerade Ältere, vom Oberurseler Norden auch eine relativ weite Strecke. Hier wird sich aber eine Lösung finden lassen. Gerade Richtung Steinbach und Oberursel Weißkirchen. Ich könnte mir einen Fahrdienst für Senioren vorstellen. Auch digitale Angebote könnten hier vielleicht helfen. Während der Corona-Pandemie haben wir das ja erprobt.
Die geplanten Nachbarschafträume werden vermehrte Team-Arbeit mit sich bringen. Das bringt bestimmt viele Vorteile, oder? Pfarrpersonen sind ja nicht selten „Einzelkämpfer*innen“.
Das wäre das Thema des gabenorientierten Arbeitens. Das ist auf jeden Fall eine spannende Sache. Der ganze Prozess wird nur zu schaffen sein, wenn wir wirklich Dinge zusammenlegen und Angebote schaffen, die konzentriert sind. Wenn wir weiterhin versuchen, den gleichen Raum mit weniger Personal zu schaffen, wird das nicht machbar sein. Das wird ein nicht einfacher Prozess werden: Den einen fällt eine Spezialisierung in einem Bereich leichter, andere lieben die Vielfalt des Pfarrerberufs. Also mit Jung bis Alt zusammenarbeiten und alle Arbeitsbereiche abdecken. Das wird ein interessanter Weg, Gemeinsamkeiten zu finden. Wenn sich Verkündigungsteam arrangiert haben und gut zusammenarbeiten wird dieser Verhandlungs-Prozess aber auch immer wieder von Neuem beginnen, wenn jemand ausscheidet und jemand Anderes dazukommt. Zum Beispiel: Ein Pfarrer hatte sich bislang auf Altenarbeit konzentriert, scheidet aus und die neue Pfarrerin liebt Jugendarbeit. Das ist alles auch etwas unklar, wie sowas dann funktionieren soll.
Die Konzentration von Verwaltung in einem zentralen Büro könnte Verwaltung effizienter machen und Pfarrer*innen neue Freiräume schaffen …
Also, das wäre ein Traum! Das wäre wirklich wunderbar, wenn möglichst viel Bürokratie zentriert werden könnte, so dass die Pfarrer wieder mehr Zeit für ihre Kernaufgaben haben könnten. Also Verkündigung, Gottesdienst und Begegnungen mit Menschen.
Aber auch in diesem Arbeitsbereich wird es bei Zusammenlegung spannend: Wie arbeiten die Gemeindesekretärinnen zusammen? Wie kann dieser ganze Prozess auch wirklich dazu führen, dass Bürokratie verringert wird?
Der Kirchenladen in Oberursel war ein Leuchtturm in Hinblick auf das Wirken der Kirche in den Zivilraum. Gibt es da schon Visionen in diese Richtung, oder konzentriert man sich zunächst auf die ekhn 2030 Prozesse Nachbarschaftsraums, Pfarrstellenbemessung und Gebäudeentwicklung?
Der Prozess ekhn 2030 und damit Nachbarschaftsraum/Kooperationen steht im Vordergrund. Wo können wir Doppelstrukturen abschaffen. Nicht jeder muss in Zukunft alles machen. Visionen wie ein neuer Kirchenladen sind zurzeit nicht dran. Auch wenn sich viele den Kirchenladen zurückwünschen.
Also erst einmal konsolidieren und dann sehen wo es zusammen hingeht?
Genau.
Wie ist die „evangelische Stimmungslage“ in Oberursel? Mutig und hoffnungsvoll voran oder überwiegen die Bedenken?
Ich glaube, es ist unterschiedlich und viele sind in dem Prozess gar nicht mit drin. Viele Gemeindemitglieder haben zwar schon von dem Zukunftsprozess ekhn 2030 gehört. Wissen, dass die Kirche sparen muss, da die Nachrichten dies ja auch oft berichten. Aber was das für Einschnitte sind und was das bedeutet, das ist vielen wohl noch nicht wirklich klar. Und ich denke, ein wirklich großer Einschnitt wird das Gebäudekonzept sein. Da bin ich selber auch noch ziemlich ratlos, wenn es darangeht, welche Kirche oder Gemeindehaus soll geschlossen oder umfunktioniert werden.
An Kirchen hängen viele Emotionen. Hier wurde man getauft, konfirmiert und vielleicht auch getraut. Die Gebäude sollen ja in die Kategorien A, B und C eingestuft werden. Diese Einordnung kann aber die Gefühle, die Menschen mit den Gebäuden verbinden, nicht wiederspiegeln. Ein sanierungsbedürftiges, unwirtschaftliches Haus kann hier durchaus einen hohen emotionalen Stellenwert haben. Das wird bestimmt ein sehr schwerer Prozess, der viel Fingerspitzengefühl benötigen wird.
Da müssen ja auch Prozesse parallel laufen: Gebäudenutzungskonzept, Nachbarschaftsraum und die nächste Pfarrstellenbemessung …
Es ist schon eine Herausforderung die neuen Verkündigungs-Teams im neuen Nachbarschaftsraum zu bilden. Hier ist noch einiges unklar. Klar ist, wie viele Pfarrpersonen, Kirchenmusiker und Gemeindepädagogen zusammenarbeiten sollen. Aber auch hier müssen dann Strukturen der Zusammenarbeit gefunden werden. Wie läuft die Kommunikation, wie arbeitet man zusammen, passiert alles auf Augenhöhe und so weiter. Da hat man noch nicht wirklich was an der Hand.
Es werden Menschen in den Büros zusammensitzen, die bislang nur alleine gearbeitet haben. Hier müssen dann Arbeitsprozesse aufeinander abgestimmt werden.
Da ist die Frage, wer das Zepter sozusagen in der Hand hat. Setzen wir jetzt alle Mitarbeitenden aus der Verwaltung an einen Tisch und die verhandeln dann untereinander, wie sie in Zukunft zusammenarbeiten wollen oder gibt es hier irgendwelche Vorgaben. Da gibt es noch Klärungsbedarf.
Nicht wenige Gemeindemitglieder verbinden wenig Konkretes mit ekhn 2030. Gibt es darum auch keine Befürchtungen?
Ich denke es gibt Befürchtungen auch wenn das Ausmaß der Veränderungen vielleicht noch nicht jedem bewusst ist. Man sieht auch an manchen Prozessen, wie positiv die Entwicklung läuft. Als ich hierherkam und die Idee der Sommerkirche eingebracht habe, war am Anfang nur die Kreuzkirche mit im Boot. Mittlerweise machen auch die Auferstehungsgemeinde und Oberstedten mit. Wir alle feiern doch lieber Gottesdienst mit 50 bis 60 Menschen als mit zehn. Das sind gemeinsame Formate, die Mut machen und jetzt schon gute Perspektiven des neuen Nachbarschaftsraumes aufzeigen.
Auf der einen Seite werden Prozesse vereinfacht, wenn wir ein gemeinsames Büro haben werden mit gegenseitigen Vertretungszeiten. Das ist ein Segen, weil die Arbeit während des Urlaubs nicht liegenbleibt. Im Team springen andere ein. Die Erreichbarkeit wird ja auch verbessert. Jedes Büro hat zurzeit noch eigene Öffnungszeiten. Ein Gemeindebüro vernetzt viel und ist persönlicher Ansprechpartner und auch Gesicht der Gemeinde. Das ist sehr wichtig! Da gibt es schon Befürchtungen, dass dies eingeschränkter möglich sein wird mit einem zentralen Büro.
Wie sehen positive Vision aus? Gibt es Hoffnung, dass Kirche wieder mehr Menschen erreichen könnte? Strahlkraft entwickelt? Aufbruchsstimmung?
Es gibt Aufbruchsstimmung, wenn wir Angebote entwickeln mit denen wir viele Menschen einladen und gewinnen könne. Vor kurzem hat im Haus Heliand der Kinderkirchentag stattgefunden. Über 30 Kinder haben gespielt, gebastelt, Gemeinschaft erlebt und zum Schluss wurde gemeinsam ein toller Gottesdienst gefeiert, an dem auch die Familien teilnehmen konnten. Einfach wunderbar!. Mit solchen Projekten haben wir diese Leuchtkraft. Hier feiern wir dann mit Vielen und nicht mit Wenigen. Wenn man merkt, oh, da sind ja noch viele andere, denen es wichtig ist, Gottesdienst zu feiern und sich mit denen zusammen auf den Weg zu machen. Die Vernetzung von Ehrenamtlichen ist sehr wichtig. Neue Räume zum Zusammenarbeiten schaffen. Dieses Jahr haben wir zusammen mit der Kreuzkirche Gründonnerstag gefeiert und wollen das jetzt immer abwechselnd tun. Ehrenamtliche aus beiden Gemeinden haben das Essen vorbereitet, die Grüne Soße gekocht und die Tische gestaltet. Das ermöglicht neue Begegnungen.
Da merken die Verbundenen auch, „wir sind ja gar nicht so wenige“!
Genau, das erzeugt Solidarität und macht Mut. Trotzdem wird es ein langer Weg und wir müssen Dinge auch sein lassen. Wir können nicht erwarten, dass wir bei größeren Räumen und Pfarrstellenreduktion bis 2030 überall die gleichen Angebote bieten können. Es wird weniger „Menschenpower“ bei den Hauptamtlichen geben. Es müssen Wege für Entlastung gefunden werden, da es nicht machbar ist, alle bisherigen Angebote weiter zu machen und zusätzlich noch spezielle Projekte. Wir müssen vieles gemeinsam machen und einiges auch sein lassen. Wir müssen uns konzentrieren. Für z.B. eine „Kirche kunterbunt“ für Familien müssen dann alle einladen und alle kommen und es darf dann keine Parrallelangebote an diesem Termin geben. Meine Hoffnung ist, dass alle aus allen Gemeinden diesen Weg auf sich nehmen, um diesen Gottesdienst dann gemeinsam zu feiern.
Was hoffen Sie persönlich für ekhn 2030 in Oberursel?
Ich hoffe, der Prozess wird uns helfen, vieles durch ein Brennglas zu betrachten: Was ist jetzt wirklich dran? Was brauchen die Menschen? Wo erreichen wir die Menschen mit welchen Angeboten? Wie können wir heute noch die frohe Botschaft in die Welt tragen und fruchtbar machen.